Und dann hab ich doch noch eine Freundin gefunden…

Teil 2:

Im „kleineren“ Pendlerbus, auf der 2. Teilstrecke war es dann schon richtig familiär. 3 Sitzreihen. Vorne der Fahrer. Daneben eine Frau. Dahinter 9 Passagiere.

Der kleine Bus wetzt zügig über die oststeirische Bundesstraße. Der Staurückstand aus Wien muss aufgeholt werden. Der Fahrer schüttelt manchmal den Kopf und murmelt dabei „unglaublich unglaublich“. Was eigentlich?

Die Beifahrerfrau erhält einen Anruf und dreht sich zu uns nach hinten um: „Hat jemand seinen Fahrschein im anderen Bus vergessen?“. So ein Service kriegst aber auch nur im steirischen Überlandbus. Oder hat man schon jemals in Wien erlebt, dass einem derart persönliche Zuwendung wiederfährt, die über Redewendungen wie „gusch da hinten“ hinausgeht?

Ich sitze in der ersten Reihe und zeige brav auf. „Mein Fahrschein ist das sicher!“. „Brauchens den noch?“, werde ich gefragt.  Ich denke ganz angestrengt nach, wofür ich den Fahrschein noch brauchen könnte. Mir fällt nix ein. Vor lauter angestrengt denken und Sorge über den kopfschüttelnden Fahrer, vergesse ich auf die Antwort. Das trägt wohl auch nicht dazu bei, das Wiener Image am Land zu heben. Die nette Beifahrerfrau wird sicher auch gleich anfangen „unglaublich, unglaublich“ zu sagen.

Nachdem wir nun eh auch schon die Landesgrenze überquert haben, beschließe ich daher in den image-steigernden landestypischen Dialekt zu wechseln. „Na danke, den brauch i wuhl hiaz a niama. Owa donkschei!“.

Am Ziel angekommen wartet schon die Omi vom Kind auf die Übernahme und ich bleibe einfach stehen und steige gemeinsam mit einem älteren Ehepaar wieder in den nächsten Bus, retour nach Wien, ein. Die Omi ist ganz aufgeregt, weil sie vermutet in der älteren Dame ihre ehemalige Volksschul-Handarbeitslehrerin ausgemacht zu haben. Ich solle das bitte schön dringend in Erfahrung bringen auf meiner Busfahrt.

Als sich bei der Einfahrt nach Wien endlich eine Möglichkeit bietet, pirsche ich mich an das ältere Ehepaar heran. Auftrag ist Auftrag.

„Tschuldigung, aber haben sie vielleicht vor mehr als 50 Jahren meiner Mama Handarbeiten beigebracht?“. Schlagartig spitzen auch alle umliegenden Fahrgäste die Ohren.  Wen wunderts bei der Frage. Da beginnt  das Gesicht der Dame zu leuchten. Ich kann mir das grad nicht vorstellen. Wie soll sich das ausgehen. Sie sieht so jung aus, perfekt frisiert, knallroter Lippenstift, die Farbe würde ich auch tragen.

„Ja! Ich war Handarbeitslehrerin, aber das ist schon lang her. Ich bin schon seit 1984 in Pension!“.  Seit 84 in Pension! Da war ich 10 und Fancy war mit „Slice me nice“ in der Hitparade!!

Ihre Augen strahlen und sie erzählt wie sie 15 Jahre lang von einer Dorfschule in die andere gefahren ist, um zu unterrichten. Jeden Tag mehrere Schulen. Mit dem Fahrrad! Wir reden über Kreuzstich und Sticken, über Häkeln und Stricken. Dass sie jeden Abend noch näht oder stickt oder strickt. Ich erzähle ihr von meiner Strickfilm Erfindung im ältesten noch bespielten Kino der Welt. Sie erzählt mir von Hauben, Socken, Westen die sie noch macht. Ich bin beeindruckt. 87 Jahre sei sie alt. Ich bin noch mehr beeindruckt.

Wir reden und reden und fast übersehen wir, dass wir eigentlich aussteigen müssen. Wir sind schon am Ziel in Wien. Die Handarbeitslehrerin setzt sich wieder ihre sehr schicke Sonnenbrille auf, nimmt links den Koffer und rechts den Ehemann und verschwindet in der Wiener U-Bahn.

Ich bin sehr beeindruckt. Notiz an mich selber: wieder mehr Rad fahren. Und wieder Pendlerbus fahren.