Was hat uns bloß so ruiniert?

Gestern Abend ein romantischer Pärchen Kinoabend mit unseren liebsten Bobofreunden. Sie, auch in der Werbe/Mediabranche wie ich. Er, macht was mit Essen. Was cooles. Details darf ich nicht nennen. Der Film: „Was hat uns bloß so ruiniert?“, von Marie Kreutzer. Ich liebe ja österreichische Filme sowieso! Und die Kombination Kreutzer und Manuel Rubey war ja schon bei „Gruber geht“ weltklasse. Dann auch noch Pia Hierzegger. Ich liebe alle. (Notiz an mich: muss ich alle auf Facebook stalken.)

Auf jeden Fall, wir hocken da im Apollo Kino, bummvoll die Hütte. Die Frage „was einen ruiniert hat“ stellen sich offenbar außer uns noch viele andere. (Wieder Notiz: mein Buch braucht auch einen verzweifelt apokalyptischen Titel! Das zieht.). Wir essen kein Popcorn, weil erstens sind wir zu spät gekommen und zweitens essen die liebsten Freunde kein Getreide. Dafür haben sie eine 1,5 Liter Schweppes Plastikflasche in ihrem FjällRäven Kanken Bobo Rucksack ins Kino geschmuggelt, mit Gin Tonic drinnen. Die wird jetzt herumgereicht. Ich nicht. Ich hasse Gin Tonic. Wieder so ein Zeitgeist Scheiß. Gin Tonic hier, Gin Tonic da. Hat irgendwer vor 10 Jahren Gin Tonic getrunken?

Die im Film, die haben das gleich aufgegriffen, die haben auch lustig Gin Tonic getrunken in ihren schicken, tendenziell verramschten Altbauwohnungen, die mit der aufdringlichen Lässigkeit. Ja nix soll ausschauen als wärs vom Ikea. Das no-go Wort lautet: Einrichtungsberater. Viel zu mainstreamig. Das Go Wort lautet: Vintage. (Gesprochen: Vintäääätsch. So wie die Tätschn.)  Allein für das Bühnenbild kriegt der Film einen Oscar von mir. Was dem Film wurscht sein wird. Wurscht.

Achtung. der Beitrag heute wird saulang. Ich bin in Fahrt. In Raaaage. Aber Samstag Abend, Prime Time, habt´s eh nix besseres vor, oder?

Also im Film spielen diese 3 Bobo Pärchen, die sich für unglaublich cool halten. So wie wir natürlich auch. Eh kloar. Man darf nur nicht so tun als ob. Und die kriegen jetzt alle Kinder. Und dann muss man sich eben noch mehr anstrengen, um so zu tun als ob. Kenn ma olle.

Die Figuren perfekt inszentiert!! Machen beruflich was Kreatives mit Medien, die Frauen. Was mit Essen, der Mann. Später macht er dann einen Food Blog. Ich muss immer laut aufkreischen und mit dem Finger auf die Schweppes Bande neben mir zeigen. „Das seid so ihr!!!“. Sie sagen: „geh bitte, du bist doch in Wahrheit der größte Bobo von uns!“. Ich wieder: „Nein ihr!“. Sie: „Nein du!“. „Nein ihr!“. „Nein du!“. „Nein ihr!“…

„Gusch davurn. Wir wollen den Film schauen!“

Er flüstert mir zu: „wenn du irgendsowas von mir in deinem Blog schreibst, schick ich dir 10 Russen!“. Ich sag jetzt nix mehr. Ich denk mir meinen Teil. Im Film scheißt grad das windelfrei erzogene Kind auf den Altbauparkett.

Für alle, die sich jetzt fragen, was dieses Bobo Ding sein soll. Hier ein paar Klisches und Schubladingers: also Bobos sind so hippe Bewohner, vorwiegend vom 6. oder 7. Wiener Bezirk. Die rudeln sich rund um die Zollergasse. Tragen immer noch Nerdbrillen (Männer und Frauen), Bärte (ungebleicht nur die Männer), Haarknödel weit oben (auch beide), Retrofetzen (beide), Juterucksäcke mit ironischen Aufdrucken und so weiter und so fort. Die oiden, ab 30 heißen Bobos. Die jüngeren unter 30 „Hipster“.

Ich bin so nicht! Kann mich gar nicht auf den Film konzentrieren, wenn ich im Kopf schon meine Verteidigungsstrategie durchgehen muss. Ha! Denen werde ich das schon zeigen nachher. Selber den Spiegel vorgehalten kriegen und diesen dann einfach zu mir rumdrehen und mich anblenden. Das geht so nicht weiter.

Was mich vom Bobo schon mal elementar unterscheidet:

  1. mein Hang zum Künstlichen. Der Bobo züchtet Goji Beeren im urbanen Gemeinschaftsgartenprojekt. Daneben brunzen die Hunde hin. Alles bio. Ich hab gerne Plastikblumen vom Eduscho in meinem Schrebergarten.
  2. Die Bobo Frau mag Naturkosmetik (vegan). Die Haare dürfen grau werden. Alterung erfolgt wie man so schön sagt „in Würde“. Ich mag Natur auch. Nur eben an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort. Das ist selten mein Körper. Und das mit der Würde, wird bei mir eher so ausgelegt, dass es wenig gibt, was ich nicht ausprobieren WÜRDE. Minimalinvasische kosmetische Eingriffe, Airbrush Tanning, Invisible Heels…
  3. Der Bobo fährt Retrorad ohne Gangschaltung. Ich such immer noch jemanden, der mir die Geschwindigkeitsdrosselung vom Elektro Fahrrad cracken kann.
  4. Die stehn auf was anderes als ich.  Also zumindest hat mir  noch nie so ein Bobo Haar Knödel die Aussicht in den vorderen Rängen beim Nik P. Konzert verstellt. Nur Wasserwellen gelegt, drängen sich da ab und zu ins Bild. Aber verschreien wir es nicht. Wer weiß wie weit der Retro Wahnsinn noch geht. Am Ende komen nach dem Unisex Knödelgetödel Dauerwellen und Vokuhila wieder auf uns zu.
  5. Die Gschroppen haben besonders kreative Namen. Im Film heißt das Mädchen „Elvis“. Ich google heimlich die Namens Hitliste: „Otis“ ist weit oben. Bei uns heißt so nur die Aufzugfirma. Da kommt man auch weit nach oben. Oder ganz hipp ist auch „Alois“. Hilfe. What´s next? Adolphyne mit ph und y?

Bewaffnet mit diesen Argumenten kann ich mich schon auf den Heimweg machen mit der Bobo Mischpoke. Bereit für die gegenseitige Zuweisung. Außerdem bin ich im Vorteil. Ich hab noch keinen Gin Rausch.

Der großartige Film endet mit einem Happy End. Ich mag lieber Nicht Happy Enden. Lieber tragische. Offene. Ungewisse. Ungeklärte. Wo ich dann noch lang überlegen muss, wie das wohl jetzt mit denen weitergeht. Und mir Sorgen mach.

Das (für mich) tragische Ende bei unserer lustigen Gesellschaftsrunde mit Genre Zuteilungen kam dann eh am nächsten Tag, also heute. Aber das erzähl ich euch jetzt wirklich morgen. Das wird zu lang. Das hält keiner durch….

PS: Bitte schaut´s euch den Film an. Der ist wirklich sehenswert.