9.50. Es läutet ab der Tür.
Wer kann das sein?
Innerlich reißt es mich da immer. Ich schiebe die dicken Winterjacken geräuschlos zur Seite und presse mein rechtes Augenglas an den Türspion.
2 Frauen. Aha die GIS hat jetzt auch Frauen? Wie ich versuche mich lautlos wieder von der Tür nach hinten zu entfernen, fällt mir ein, dass wir eh die längste Zeit schon GIS zahlen.
Das is wie in den Öffis, bei jeder laut angekündigten „Fahrscheinkontrolle“, bin ich nah am Herzinfarkt. Dabei hab ich seit 4 Jahren eine Jahreskarte.
Ich beziehe auch jedes Blaulicht auf mich. Polizei. Rettung. Feuerwehr. Gaswerke. Egal.
Mit 12 Jahren hab ich als Mutprobe beim Libro mal einen Radiergummi gestohlen, der hatte die Form einer Cola Dose und ich hab ihn unauffällig in mein offenes Chips Sackerl reingenudelt und mich hoch auffällig aus dem Geschäft entfernt.
Seitdem fühl ich mich von jeglichem Blaulicht verfolgt. Der Radiergummi war de facto eh unbrauchbar, weil der ganze Chipsbröselbodensatz sich eng an die Radiergummi-Coladose angehaftet hat.
Die Frauen vor der Tür schauen mir auch nicht nach den verspäteten Kaspar & Melchior (ohne Balthasar) aus.
„Wir kennen uns nicht persönlich“, höre ich es plötzlich von draußen. „Aber wir hätten eine ungewöhnliche Frage an Sie!“
Verdammt. Jetzt haben Sie mich an meiner verwundbarsten Stelle erwischt! Die Neugierde!!!
Ich öffne die Tür zaghaft, nicht zu weit, falls es sich doch um weibliche „Beißer“ handelt. Währenddessen merke ich auch schon wie gestört diese Idee jetzt wieder ist und beschließe jetzt muss endgültig Schluss sein mit „Walking Dead“ schauen. Es gibt keine Zombie Apokalypse in Wien Breitensee !
Stattdessen sind es zwei freundliche Damen die mir nur eine Frage stellen wollen. Der „Wachturm“ in ihrer Hand weist sie als Zeugen Jehovas aus. Ich lehne höflich die angebotene Diskussion ab, weil „erwacht“ bin ich jetzt eh schon.
Da fällt mir dann auch mein lieber Ex, der T. wieder ein, er hat ein immer großes Herz und offenes Ohr für alle Menschen. Der is einmal eine Stunde am Gartentürl gestanden und hat mit den Zeugen Jehovas intensiv über Bluttransfusionen und Gotteserscheinungen diskutiert. Weil das Gespräch so nett war und er aber trotzdem nicht ihrer Gemeinschaft beitreten wollte, wollte er ihnen was nettes mit auf den Weg geben. Er ist ins Haus gelaufen und hat schnell eine Weinflasche (!) geholt. Die hat er dann den sehr verwundert dreinblickenden Zeugen in die Hand gedrückt und sich für das schöne Gespräch bedankt….