Heute früh war ich schon um 6.30 in der Schnellbahn unterwegs nach Mistelbach, zu einem kleinen chirurgischen Eingriff. Am Bahnhof schnell noch die „Brigitte Woman“ gekauft. So eine Zeitschrift verkauft sich ja primär über die Coverstory, in meinem Fall war das heute der Aufhänger „Ich putze gern – es gibt Frauen die es wirklich lieben!“ Man lernt ja nie aus und ich bin offen für Lebensratgeber.
Irgendwo in Dribsdrül steigen dann zahlreiche Jugendliche zu, am Weg in die Schule. Zuerst hab ich befürchtet, dass es jetzt aus ist mit der romantischen S-Bahn Ruhe, sanft schaukelnd durch die Weinviertler Weizenfelder. Weit gefehlt! Die waren alle mucksmäuschenstill. Offenbar hat sich die Jugend geändert seit meiner eigenen Schulzeit. Bei uns wurde laut herumgeschrien, man hat dekorative Kosmetik, Hausübungen oder Tschick ausgetauscht, manchmal auch „Hygieneartikel“ wenn wer „die Tante auf Besuch“ hatte. Das letzte Disco Wochenende wurde nachbesprochen und das nächste geplant. Es wurde verhandelt wer mit der Vespa fährt und wer den Adabei Ribiselwein besorgt.
Die Weinviertler Schüler dürften hingegen nicht so ein Interesse am Wein haben. Gut, ich seh auch keine Ribiselfelder, wenn ich aus der S-Bahn schaue. Das Interesse hier gilt ausschließlich dem eigenen Handy. Man sitzt stumm nebeneinander, das Smartphone fest in beiden Händen, Kopfhörer im Ohr. Nicht mal Kaugummi wird gekaut!
Nach ungefähr 6 Bahnhöfen fällt das erste Wort.
„Und ihr heit?“, fragt ein Mädel.
„Na nix. Wir besuchen a Firma und dann gemma Eis essen.“, sagt der Bub.
Da fällt mir ein, dass ja letzte Schulwoche ist! Die schönste Woche im Schuljahr. Wo alle Noten feststehen und man sich hingebungsvoll diversen lustigen Schulschluss-Projektgruppen anschließen kann. Es gab damals in meiner eigenen Schulzeit vielfältige Kurse im Angebot, zB Volleyball, Bändertanz, Schwimmen oder was kreatives wie Malen oder plastisches Gestalten. Für die Super-Schlaubis gab es die Mathe Olympiade Gruppe oder für die Naturfreaks „Beobachtungen in der Au“. Bei historischem Interesse konnte man sich auch auf den Spuren der Römer durch die Oststeiermark begeben. Die Qual der Wahl also!
Sofern man a) sportlich oder b) interessiert an irgendwas ist. Beides war nicht auf mich zutreffend. Weil es leider keine Projektgruppe „Vespa fahren ohne Kolbenreiber“ oder „schmink dich schön unterm Helm“ gegeben hat, hab ich das gewählt was am wenigsten nach Sport oder Anstrengung geklungen hat: „Atmen & Spüren“.
So hab ich 3 Tage mit 4 anderen traurigen Gestalten in einem überhitzten Klassenzimmer verbracht und geatmet. Und dann dem Atem nachgespürt.
Vielleicht wäre die Projektgruppe „kreative Hauswirtschaft“ doch besser gewesen, dann würde ich das Putzen jetzt vielleicht auch lieben. So wie die Frauen aus der Brigitte Zeitschrift.
Wobei jetzt wo sich der kleine Eingriff nähert, ist das mit dem ruhigen Atmen vielleicht eh die bessere Kompetenz ….