Rock n Roll mit Juli Zeh und David Schalko

Gestern Abend war ich auf einer Lesung im Konzerthaus. Spontan. Mit einer Karte vom Konzerthaus Schwarzmarkt. Gibt es wirklich! Da stehen im Eingangsbereich sehr gut betuchte Damen im Seidenensemble und verhökern Karten. Weil vielleicht wer krank geworden ist. Oder anderwertig abhanden gekommen. Lieber nicht fragen.

Ich war auf der Suche nach einer Karte für Juli Zeh. Eine der erfolgreichsten und großartigsten deutschen Autorinnen. Super Bücher!

Eine sehr sympathische, jüngere Dame hat mir dann eine Karte verkauft. Der is auch wer abhanden gekommen, hat sie erzählt. Weil zeitgleich und irgendwo in der Nähe der David Schalko sein neues Buch präsentiert. Oha! David Schalko – Großmeister der österreichischen Unterhaltung. Ich sag nur „Braunschlag“ oder „Altes Geld“.

Kurz zögere ich, ob ich auch zum Schalko wechseln soll, aber die Schwarzmarktverkäuferin war so lieb und hat sich so gefreut dass ich ihr die Karte abgekauft habe. Und die Juli Zeh ist extra aus Deutschland gekommen. Also jetzt eh nicht wegen mir. Aber da mag man auch keine leeren Plätze im Publikum vorfinden.

Im Saal ist dann freie Platzwahl, ich wähle die zweite Reihe. Gute Aussicht und trotzdem noch die erste Reihe als Sicherheitspuffer. Seit einem Konzert bei der Bloodhound Gang habe ich Angst vor ersten Reihen. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, das mich eine berühmte deutsche Schriftstellerin von der Bühne aus anspeibt. Wie der Jimmy Pop das gemacht hat. Das Schweindl.

Das Licht verdunkelt sich. Der Moderator betritt die Bühne und kündigt die Darsteller an: „Meine Damen und Herren, sie bekommen heute Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt….“
Ja super. Das mag ich. Juli Zeh´s Gedanken sind nämlich immer sehr super in ihren Büchern.

„Wir wollen dabei das dialogische betonen….“, fährt der Moderator fort.
Das was? Ich hole heimlich mein Handy raus, um das Wort zu googeln.

„…oder besser gesagt das trialogische.“
Jössas! Das wird ja immer komplizierter. Ich öffne ein neues Suchfenster und tippe „Lesung David Schalko“ ein. Sein neues Buch „Schwere Knochen“, ein Wiener Gangsterroman wird heute präsentiert. Da steht: Voodoo Jürgens singt und spielt, Dirk Stermann unterhält sich mit David Schalko und Nicholas Ofczarek liest aus dem Roman.
Verdammt. Das klingt nach Rock n Roll während ich hier offenbar gleich dem Kammerorchester beiwohne.

Juli Zeh betritt die Bühne, mit noch einer Dame die dann singt und einem Herrn der dann am Klavier spielt. Das Licht wird noch dunkler. Ich rutsche gemütlich in meinen Sessel hinein.
Mit sanften Stimmen lesen und singen die Damen wirklich großartige Texte. Intelligent, zeitaktuell, gesellschaftskritisch. Ich bewundere diese Gabe Unterhaltsames mit Politischem zu verbinden. Tiefere Bedeutungen in die Unterhaltung hineinzumischen.

Bei den Worten „Ruhe sanft öffentlicher Diskurs“ kippe ich plötzlich nach links.
Und nein, das war jetzt nicht als politisches Statement zu sehen, dass ich nach links kippe, ich dürfte schlichtweg kurz eingeschlummert und auf der Schulter der linken Sitznachbarin wieder zu Bewusstsein gekommen sein. Peinlich berührt schrecke ich hoch. Auf der Bühne singen sie gerade mit sehr leiser Stimme „it´s a suicide world“.

Ich stelle mir vor, wie dieses Motto gerade bei der Schalko Premiere interpretiert wird. Und ob es da vielleicht schon Polizei Einsätze zu vermelden gibt.

Juli Zeh liest noch weitere wunderbare Texte. Übers Geschichten erzählen. Und dass man seinem Instinkt folgen soll. Das mag ich. Ich denke an meinen literarischen Instinkt, und dass ich vielleicht auch besser folgen sollte. (Morgen schreibe ich 100x „du musst besser folgen“. )

Im Anschluss an die Veranstaltung warte ich mit den anderen Gästen beim Konzerthaus Buffet auf das angekündigte Meet & Greet mit Juli Zeh. Die Seidentuchdamen trinken Sekt Orange und gönnen sich ein Lachsbrötchen. Ich trinke eine Melange. Dabei stelle ich mir vor, wie bei der Schalko Party schon das Interieur durch den Raum fliegt.

Ich komme ins Gespräch mit einer sehr netten deutschen Touristin. So vergeht dann auch die Wartezeit recht schnell. Nur dass am Ende keine Juli Zeh zum meeten und greeten kommt, sondern der Billeteur vom Konzerthaus, der von Tisch zu Tisch geht und mitteilt, dass die erwartete Hauptdarstellerin leider nicht mehr kommt. Sie sei zu erschöpft. Schade aber auch! Na gut, wenigstens das Buffet hat ein paar Lachsbrötchen verkauft und ich hatte ein nettes Gespräch.

Beim Rausgehen in die warme Wiener Nachtluft, als ich die Ohren offen halte ob die fetten Beats von der Schalko Party irgendwo zu hören sind, komme ich an einem geöffneten Konzerthaus Fenster im Erdgeschoß vorbei. Ein kleines Kammerl hinter dem Portier indem zwei Männer sitzen. Und wie ich da reinschau und mir denk, dass mir die beiden recht bekannt vorkommen und woher ich die schnell kenne? Und wie ich dann ein zweites Mal noch genauer hinschaue, da wird mir schlagartig klar: da sitzen der Nicholas Ofczarek und der Dirk Stermann und zünden sich grad gemütlich eine Tschick an.

Do is a also, da Rock ’n‘ Roll!