Lieber Didi Kühbauer!

Noch nicht lange her, da war der Didi Kühbauer bei der Claudia Stöckl in Frühstück bei mir zu Gast. Als Bewohner vom Wiener Westen sperrst du da automatisch die Lauscher auf, wenn der Neo-Trainer von Rapid Wien im Radio ist, auch wenn ich sonst kein Fußball-Fan bin. Manchmal begleite ich den Rest der Familie zwar ins Stadion, versuche mich zu konzentrieren, dem Ball zu folgen. Aber nach wenigen Minuten merke ich, wie ich höchst interessiert die Bandenwerbung am Spielfeldrand betrachte oder mich wundere, warum immer die gleichen Menschen in den Hardcore-Fansektoren die Banden schwenken müssen. Und ob das nicht aufs Kreuz geht. Und ob ich mir ein Eis kaufen soll. Oder doch Kaffee. Sprich: Fußballtechnisch bin ich ein Schulanfänger. Die tun sich auch noch schwer mit dem stillen Sitzen und dem sinnerfassenden Begreifen der Vorgänge…

Was hat Didi Kühbauer mit „Mittagsstunde“ zu tun?

Auf jeden Fall der Kühbauer. Sagt in dem Interview, dass er gerne liest. Oha! Jetzt wird´s spannend! Mein Thema! Ich schiebe den Gatten zur Seite und den Regler vom Radio auf lauter. „Der Kühbauer liest!!!“, rufe ich erstaunt aus. Der Gatte wirft mir einen strengen Blick zu. Ich soll nicht mit so billigen Vorurteilen daher kommen. Warum soll ein Fußballer nicht Bücher lesen? Ja natürlich. Aber immerhin gibt es auch aktuelle Nationalspieler, die Zitate wie „Ich bin eine Maschine“ oder „Ich kaufe dein Leben“ preisgeben. Deswegen denkt man (ich) jetzt nicht gleich zwingend an den Ingeborg Bachmann Preis in Zusammenhang mit Kickern.

Ich verfolge höchst interessiert das Interview. Mit jedem Satz wird er mir noch sympathischer. Am Ende vom Interview war ich kurz davor, eine Rapid-Mitgliedschaft zu beantragen. Didi Kühbauer erzählt von den schwierigen Zeiten, wie es war, als er keinen Job mehr hatte. Von der Unsicherheit, ob er jemals überhaupt wieder Angebote bekommen wird. Und dann erzählt er, dass er tatsächlich 60-80 Bücher pro Jahr liest! Das ist mehr als eines pro Woche!

Als er dann noch nach seinem Lieblingsbuch gefragt wurde, war ich endgültig Feuer und Flamme: „Unterleuten“ von Juli Zeh! Eines meiner TOP 3 Lieblingsbücher! Ein ganz großartiger Roman und Bestseller seit Jahren!

Und jetzt komme ich aber zum eigentlichen Punkt:

Lieber Didi Kühbauer, wenn du Juli Zeh magst, wirst du Dörte Hansen lieben. Ich bin gerade mit ihrem neuesten Buch „Mittagsstunde“ fertig geworden und ähnlich wie bei „Unterleuten“ portraitiert es Dorfbewohner in einer Zeit, die von Veränderungen geprägt ist. Leer werdende Landgasthöfe, verwaiste Schulen, aussterbende Berufe. Es geht darum, wie wir zusammen leben, wie wir zusammen spielen und wie sich alles verändert. Wie im Fußball.

Also insofern ist die Brücke von Büchern zum Fußball vielleicht doch nicht so eine Weite, wie ich immer dachte. Man muss nur seine Vorurteile über Bord werfen!

Ingwer Feddersen, 47, kehrt in dem Buch in sein Heimatdorf zurück. Er hat hier noch etwas zu erledigen. So wie du, Didi, in deinem Heimatverein jetzt. Es gibt noch viel zu erledigen.