Auf der Flucht…

Wenn man schon illegal im benachbarten 5-Stern-Hotel frühstücken geht, sollte man sich vielleicht unauffällig und ruhig verhalten. So wie ich heute. Äh. Nicht.

Also die Sache ist die. Gleich neben unserem Hotel ist so ein Luxus Hotel. Und naja, man soll ja auch über seinen Tellerrand hinausblicken und deswegen habe ich vorgeschlagen, dass wir heute dahin frühstücken gehen. Weil es sozusagen das Schwesternhotel von unserem ist, kann man hier auch tatsächlich abends ohne Aufpreis essen gehen. Wenn man sich rechtzeitig anmeldet. So circa 3 Monate vorher. Fully booked hiess es sonst immer. Ich denke die wollen eher unter sich bleiben. Aber da hat man nicht mit Mutti gerechnet, weil wenn Mutti abends kein Plätzchen findet, kommt sie einfach zum Frühstück. Auch wenn das da eigentlich nicht vorgesehen ist. Aber das muss ja keiner wissen, auch innerfamiliär nicht, würde alle nur unnötig belasten. Das Kind mag so minimalistische Gesetzesübertretungen sowieso gar nicht. Die kriegt schon einen Zucki Mucki wenn ich zu weit vom Randstein weg parke. Ich fürchte das liegt daran, dass sie schon zu oft wegen Muttern in peinliche Situationen hineingezogen wurde. Also bitte daher alles streng nach Vorschrift. Dann kann nix sein. Denkste!

Also wie selbstverständlich bewegen wir uns in dem 5 Stern Frühstücksambiente. Nehmen Platz am Tisch. „Merci!“, zum Kellner und „no hurry“, als der Tisch noch nicht eingedeckt war. Wir sind im Urlaub und nicht auf der Flucht, ist das alte Familien Motto.

An den Bewohnern hat man auch gleich gemerkt, dass man in einer anderen Kategorie ist. Während bei uns eine fröhliche Mischung aus Franzosen, Österreichern, Deutschen oder Italienern im Hotel vorzufinden ist, sind dort die exotischeren Herkunftsländer untergebracht. Sehr viele Männer waren dort wohl ebenso wie ich, um die Hautgesundheit ihrer Damen besorgt und haben sie fürsorglich gleich von oben bis unten eingewickelt. Das waren die orientalischen Gäste. Gut betucht im wahrsten Sinne des Wortes.

Dann gab es dort noch einige asiatische Gäste, ur schön geschminkt und großteils mit ihren Smartphones im Selfie Modus beschäftigt. Ich schätze das war die Asia Instagram Influencer Haute volee.

Und dann natürlich die Amis. Baseball Kappen, fette Uhren und namhafte Poloshirts selbst für die kleinsten. Natürlich mit aufgestellten Krägen (es hört wohl nie auf).

Das Essen war eigentlich genauso gut und umfangreich wie bei uns im Hotel. Vielleicht die Deko einen Hauch aufwendiger. Und mehr Saucen Auswahl bei den Waffeln. Also wie ich da so komm, mit meiner frischen Waffel, passiert es. Sie haben kunstvoll eine 2-stöckige Galerie aufgebaut für die Saucengläser. Erdnussbutter, Caramel, Schoko und Vanille unten in so Rexgläsern. Oberhalb dann Kokosstreusel, Mangopüree, Bananenpüree und jetzt kommt es: eingelegte Zimtäpfel! Grossartig!!! Und wie ich den Rexglasl Deckel hebe, um mir so einen Zimtapfel rauszunehmen gerät das ganze Luxussystem gehörig ins Schwanken. Kurz danach in Seenot und eine Millisekunde später kracht die ganze Konstruktion lautstark zu Boden und reisst alle Saucen (Caramel, Peanutbutter…alles!!!!) mit sich hinunter!!

Die Orientalen, die Amis und ich glaub da waren dann auch noch Russen, schreien laut auf, als ob ich ein Attentäter wäre. Sie springen zur Seite und halten die Frauen und Kinder fest. Ich stehe in der Mitte mit meiner Waffel. Festgepickt auf der Caramelsauce und in Schockstarre weil ich jetzt nicht genau weiss was ich tun soll. Mein erster Reflex will sich bücken und das Drama wegputzen. Aber das machen gleich die anrückenden Einsatzkräfte vom Hotelservice.

Das Kind hat sich in der Zwischenzeit vor lauter Peinlichkeit einer asiatischen Familie angeschlossen. Vielleicht auch wegen der Hello Kitty Smartphones.

Ich ziehe meinen Hut tiefer ins Gesicht und gehe langsam rückwärts in die Richtung wo unser Esstisch war. Durch die Schaulustigen die zusammen gelaufen sind hindurch. Dort sitzt der Gatte ganz allein und schaut meine undekorierte und saucenlose Waffel an.

Ich freu mich, dass er von allem nix mitbekommen hat und beginne ein belangloses Gespräch über die hervorragende Qualität der hiesigen Mangos und lobe seine perfekte Aufschneidetaktik. Bis er mich unterbricht:

„Wenn du mit ana nockerten Waffel ohne wos zruck kummst und es hot grad an Riesen Tuscha gebn, dann tät mi des jetzt sehr stork wundern, wenn du net involviert woarst!“.

Najo. Ich sag ja: lieber unauffällig und ruhig verhalten…. Und wir sind zwar immer noch im Urlaub, aber vielleicht jetzt doch besser auf der Flucht.