Der Bandenführer im Aldi

Neben meinem Hotel in Leipzig war ein Seniorenheim, ein aufgelassenes Fussballstadion, ein grosser Friedhof, ein Dänisches Bettenlager und ein Aldi. Sonst war da nicht viel mehr. Zwei Strassenbahnstation weiter endet die Linie.
„Ruhige Lage“ würde ein Makler sagen.

Gestern früh hab ich mir beim Aldi was zu trinken gekauft. Die Schlange an der Kassa war recht lang. Vor mir stand ein kleiner, dicker Mann mit Glatze. Schätze Ende 60.
Er hatte eine schwarze Bomberjacke an und eine fette Panzerkette um den Hals. In der Grube zwischen Daumen und Zeigefinger hatte er ein Häfn-Tattoo. Motiv unklar und zerstochen. Vielleicht war der mal Bandenführer, irgendwas Rechtes vermutlich. Ich muss an den Taxifahrer von vorgestern denken. Bei den nächsten Wahlen würde es schebbern, hat er gesagt. Weil „der Sachse hälts Maul nicht“.

Ganz vorne an der Aldi Kassa gibt es eine Verzögerung. Ein älterer Herr, schätze Syrer oder Afghane, kramt nervös in allen seinen Taschen. „21 Cent fehlen noch“, sagt die Kassierin. Dem Herrn ist das sichtlich sehr peinlich und er beginnt seine Einkaufstasche wieder auszuräumen. Er legt ein Brot zur Kassa zurück.

Der vermeintliche Bandenführer vor mir wird darauf aufmerksam. Er drängt sich nach vor. Vorbei an zwei Einkaufswagerl von wartenden Seniorinnen.
Alle schauen neugierig hin was jetzt passiert.
Der Mann greift in seine Bomberjacke und gibt der Kassierin 21 Cent. Die zwei Männer lächeln sich schüchtern dabei an.

Grosse Geschichten finden oft im kleinen Abseits statt.