Zwei Muttis besprechen heute früh vor der Schule angeregt die Leistungen der Kinder.
„Du hättest über das und das eine Erlebnisgeschichte schreiben sollen, und nicht eine Eigene über dich!“.
Ich fühl mich auch gleich angesprochen dabei, wegen meiner eigenen Hausübung…
Wie sie mich tatsächlich ansprechen, check ich zuerst gar nicht, was sie meinen.
Ob ich schon am Weg ins Pfadfinderlager wäre. Hä? Wieso?
Ah so, wegen meiner Reisetasche.
Ausserdem ist das Pfadfinderlager erst ab morgen. Und sicher nicht für Muttis.
Aber andererseits, so unrecht haben sie auch wieder nicht. Ich suche auch einen Pfad. Bin heute wieder am Weg zu meiner Literatur Ausbildung. Wochenende Nummer 2.
Seit dem Wochenende Nummer 1 sind ein Monat und 2 Hausübungen vergangen.
Das Ausbildungskonzept ist genial. Auch wenn meine Sternstunde noch nicht wirklich gekommen ist. Die Hausübungen werden rot korrigiert zurückgeschickt. Und immer an alle Teilnehmer. Was ich grossartig finde, weil man von allen anderen Texten und Korrekturen auch super viel lernen kann.
Die Aufgabe war an sich perfekt für mich. Man solle jemanden beim grauslich essen beschreiben. Neutral darstellen ohne sich selbst einzubringen.
Die perfekte Übung für Misophoniker wie mich! Und nein, ich spiele kein Instrument. Misophoniker haben auch nix mit Symphonikern zu tun.
Misophonie ist so eine Art Monk-Störung, wo bestimmte Essensgeräusche etwas in einem auslösen. Nix guades, soviel darf ich an der Stelle verraten!
Also hab ich die ersten zwei Wochen damit verbracht, bei jeder Gelegenheit nach grauslichen Essern Ausschau zu halten. Am Würstelstand. Im Fastfood Paradies. Im Kino (Stichwort: Popcorn!!!). Schön waren auch die Erlebnisse in diversen Kebab Einrichtungen. Ich hab Sachen gesehen, die will keiner sehen!
Aber glaubst du, es wäre eine Seite zustande gekommen?
Dafür hab ich vielen Gesprächen beigewohnt, einmal war ich sogar nah dran, wie am Nebentisch vom Cafe Westend ein aufkommender Fussballstar vercheckt wurde. Die Eltern haben mit grossen Augen die Powerpoint Präsi von zwei motivierten Jungfunktionären verfolgt. Lustige Bilder vom Sportlager haben sie gezeigt. Wie die Fussballbuben Spass haben, bei der Sommerrodel Bahn oder im Schwimmbad. Die Augen der Eltern haben geglänzt. Mir kommt sowas gleich verdächtig vor. Wenn die Fussballer mit Rodelbahnen anlocken. Der Bub hat unbeteiligt geschaut, bis zum ersten Mal ein Sportplatz am Bildschirm aufgetaucht ist. Und der animierte Powerpoint Fussball von links nach rechts geflogen ist. Ich hab mich sehr zurückhalten müssen. Fragts lieber nach dem Ausbildungskonzept, wollte ich sagen. Wie der Verein das Talent da entwickeln wird. Oder fragts nach den Werbeverträgen. Aber gut. Wer braucht schon meine Meinung über Fussball. Ich weiss, dass der Klopp sehr gut ist und auch lustig und neue Zähne hat. Soweit zu meinem sportlichen Horizont.
Aber keine Zeile kam über grausliches Essen auf meine Tasten. Nicht mal als ich versucht hab, selber grauslich zu essen. Mit der alten Zahnschiene vom Bleaching wollte ich Dürüm essen. Allein daheim vorm Spiegel. Najo.
Aber man soll sich ja selber raushalten….
Während ich noch verzweifelt alle in meinem Umfeld gebeten habe, gerne mal mit offenem Mund vor mir zu kauen, kamen schon die ersten korrigierten Hausübungen der Kurskollegen retour. Die waren gut. Wirklich gut. Mit wenig roten Korrekturen. Und wirklich guten Tipps und Anmerkungen dazu. Teilweise habe ich die nur mit halbgeöffneten Augen am Handydisplay gelesen, um nur mal verschwommen den Rot-Anteil der Anderen aufzunehmen. Bei hohem Rot Anteil hab ich im Detail gelesen. Bei überwiegend schwarzer Mehrheit, sofort wieder alles frustriert zugemacht und aufgestampft.
Wieso kann ich das nicht???
Ungefähr so muss sich die arme Pam nach der letzten Wahl gefühlt haben. Als sie im Halbdunkel ans Mikro geklammert die überwiegend schwarze Mehrheit kommentieren musste. PAM ! I feel like you!
Dann kam mein Text retour. Was soll ich sagen. Das war a rote Alleinregierung! So rot ist nicht mal der Pam ihr Parteibuch…
Wie ich heulend dem Gatten mein Leid klage, unterbricht er kurz sein Fußball Spiel auf der Playstation. „Es ist so schwer! Ich kann das nicht! Nicht mal einen einfachen objektiven Blick auf etwas kann ich Schreiben. Wäähhhh.“
„Na, des kau a net gehn!“, sagt er. „Weil seit wann kannst DU dich von was raushalten und dich nicht selbst einbringen! Und schon goa net von ana Gschicht.“
Der wahre Motivator sitzt daheim merke ich.
Dann legt er noch nach:
„Schau. Das is wie beim Fussball. Nur weil einer gut mit Bällen kann. Muss der noch lange kein super Fussballer werden. Der is vielleicht besser in einer anderen Ballsportart“
„Aber ich will in die Champions League. Was soll das für eine andere Ballsportart sein, bitte???“.
„Wos was i“, sagt er und rennt mit seiner Spielerfigur aufs gegnerische Tor zu.
„Minigolf vielleicht!!!“
Minigolf! ????????????
Oiso. So gesehen bin ich wieder am Weg in mein persönliches Pfadfinderlager, Sektion Minigolf.
Aber wie heisst das Pfadfindermotto so schön: „So gut ich kann!“
PS: Passend zu meinem Text habe ich mich wenigstens rot/schwarz gekleidet.