Wir sind stärker!

Am Flughafen in Bangkok kaufen wir uns Knabberzeug: kleine knusprige Krabben, die ausschauen wie geröstete Meeresspinnen und getrocknete Mangostreifen mit Fisch-Curry Geschmack.

So werden wir unser letztes thailändisches Geld los und sind gerüstet für das wahre Abenteuer, dass ab Freitag daheim auf der Couch startet. Das RTL Dschungelcamp! Jetzt wo wir 10 Tage in einem deutschen Club auf Thailand waren, ist das sowas wie die logische Fortsetzung.
Damit wir für die Ekelprüfungen auch vor dem Fernseher gerüstet sind, kaufen wir diese thailändischen Spezialitäten und ich verstaue das Duty Free Sackerl oben im Handgepäck. Sonst hab ich eh kein Handgepäck im Fach, weil mein Rucksack ist bei meinen Füssen. Der Laptop jederzeit griffbereit. Stichwort: die Hausübung für meine Literatur Akademie warad noch immer zu erledigen….

Dafür hat der Mann in der Reihe vor uns doppelt soviel und extra grosses Handgepäck. Ich habe den Gangplatz und komme daher in den Genuss, wie er auf Zehenspitzen versucht sein Zeug oben reinzustopfen. Dabei schiebt sich unten sein Leiberl hoch und ein üppiger, behaarter Bauch wird unmittelbar vor mir freigelegt. Ich mag das eh so gern, wenn mir wer innerhalb meiner 50cm Wohlfühlabstand „auf die Pelle rückt“ (sorry, aber dafür gibt es keinen passenderen Wiener Ausdruck. Oder?) Ich ziehe meine Schlafbrille, die wir vom Reisebüro geschenkt bekommen haben, herunter und schiebe mein Nackenhörnchen als Schutzwall in Richtung Gang.
Kurz danach höre ich, wie er sehr höflich von einer männlichen Stimme gebeten wird, sein Gepäck besser einzuschlichten. Wobei die männliche Stimme das viel höflicher und freundlicher formuliert, als ich das jetzt wiedergeben kann.
Ich schiebe meine Schlafbrille eine Stück nach oben, um das Geschehen zu verfolgen. Der Gepäck-Mann hat inzwischen in der Reihe vor uns, in der Mitte, Platz genommen. Er redet nach vorne, ohne den Steward, der direkt neben ihm steht überhaupt anzuschauen.
„Des is owa net mei Problem!“
Ich fühl mich gleich wieder heimisch. Wie auf meinen täglichen Weg mit der U6.
„Des is des Problem von dera Stewardess“, legt er nach.
Alle Gäste ringsherum verstummen. Nur die Russen hinter mir nicht.
Ich weiss gar nicht, was ich dem Trottel als erstes gerne sagen würde. Womit anfangen? Mit dem Gendern? (Warum Stewardess und nicht Steward, wenn schon). Auf die falsche Artikelverwendung („dera“) oder damit, dass er einfach ein asozialer Volltrottel ist? Meine U6 Fahrgemeinschaft hätte noch viel schönere Kosenamen gefunden, believe me!
Statt dessen muss ich Continuance bewahren. Das Kind sitzt neben mir. Gutes Vorbild in Sachen Konfliktkultur sein!
„Weißt du Schatzi, manche Menschen sind da nicht so nett. Die nehmen keine Rücksicht auf andere. Das ist sehr schade. Und traurig!“
Natürlich sag ich das so laut, dass alle, sogar bis zur Businessclass vorne mit traurig sein können. Wobei deren Trauer dürfte sich in Grenzen halten. Denen wird grad von Do & Co Koch höchstpersönlich ein erster Appetizer serviert.
Egal.
Der Trottel vor uns bleibt trotzdem sitzen und reagiert nicht. Bis wenig später nochmal eine andere Stewardess kommt. Die ahnt von allem ja nix und is wieder extrem freundlich und korrekt in ihrer Formulierung. Ob er so nett sein könne, ihr zu helfen. Sie schaffe das nicht alleine.

„Des is owa net mei Hockn!“, sagt er und weil irgendwann offenbar der dümmste merkt, wann die Stimmung kippt, steht er trotzdem genervt auf und stellt sich wieder direkt neben meinen Sitzplatz.
Ich weiss schon, dass es jetzt wieder der grausliche Bauch kommt und gehe in Deckung. Ich tu so, als würde ich was aus meinem Rucksack unter mir rausholen wollen und beuge mich nach vor.
Dass dann tatsächlich etwas kippt, owa net die Stimmung, damit war nicht zu rechnen!

Auf einmal spüre ich einen dumpfen Schlag auf meinem Hinterkopf, die Leute um mich herum schreien fast ein bissi auf.
Und dann höre ich noch die Stimme vom Gatten wie er sagt: „jetzt passens owa amol auf, weil sunst reicht es boid!“
„Mama, Mama is eh alles ok?“, ruft das besorgte Kind und mir wird klar, dass der von oben bei seiner Rumwurschtlerei irgendwas runtergeschmissen hat.
Und tatsächlich, vor mir liegt mein eigenes Dutyfree Sackerl mit den gerösteten Meeresspinnen. Zum Glück habe ich es vorher nicht aufgemacht, um zu kosten. Sonst wär das sicher jetzt aufgegangen und es hätte zwischen Reihe 15 und 18 im Flug OS26 von Bangkok nach Wien geröstete Meeresspinnen geregnet.
Mehr Dschungelcamp geht goar net.

Nicht mal jetzt, ist der Fahrgast besonders schuldbewusst. Owa leg die ni mit einem Kristek an, lautet die Devise. Wir haben immer Ideen für einen Rückschlag!
Weil irgendwann auf diesem langen Nachtflug, werden alle mal einschlafen. Und in der Reihe hinter einem, sitzen dann vielleicht Damen mit kleinen Meeresspinnen im Handgepäck….